Demokratie stärken: Die Normalisierung antidemokratischer Haltungen in den Kommunen verhindern

In diesen Tagen und Wochen mehrt sich der gesellschaftliche Widerstand und Zusammenhalt: Nicht nur in Deutschlands größten Städten versammeln sich Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft, um ein Zeichen gegen Rechts zu setzen. Auch in kleineren Kommunen setzen viele der Normalisierung antidemokratischer Haltungen etwas entgegen. Einige Tipps und Handlungsempfehlungen zur Stärkung des demokratischen Zusammenhalts möchten wir in diesem Artikel teilen.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ So besagt es schon das deutsche Grundgesetz in Artikel 1. National-völkische und gesichert rechtsextreme Parteien stellen diesen wesentlichen Grundsatz und weitere Bestandteile der freiheitlich-demokratischen Grundordnung jedoch explizit in Frage. Der Kern ihrer Vorstellungen gründet auf der Ungleichbehandlung und Diskriminierung (großer) Teile der Gesellschaft.

Wie gehen antidemokratische & rechtsextreme Parteien vor?

Eine wesentliche Strategie der Parteien ist die Diskursverschiebung. Durch die Darstellung einer Meinung als allgemeingültige Wahrheit erlangen sie die Deutungsmacht zu bestimmten Themen. Zudem soll mit bewussten Grenzüberschreitungen der Raum für das Sagbare erweitert bzw. nachhaltig verschoben werden. Unterstellungen, Hetze und Drohungen werden damit normalisiert – mit Erfolg, denn ein respektloser Umgang sowie populistische Aussagen werden zunehmend auch von anderen Parteien übernommen. Von Hass und Hetze betroffene Menschen werden so eingeschüchtert und sehen sich zum eigenen Schutz gezwungen, aus der Öffentlichkeit zurückzutreten. Abweichende und gegensätzliche Stimmen sollen so gänzlich zum Schweigen gebracht werden (sogenanntes „Silencing“).

Rechte Parteien bemühen sich neben der Erschließung der Parlamente und politischen Institutionen um den zivilgesellschaftlichen Raum, nicht zuletzt, um ihre Anhänger*innenschaft zu vergrößern. Sie stellen dabei die Rechte marginalisierter Gruppen aktiv in Frage oder versuchen die Arbeit von Institutionen zu blockieren, die sich für solche einsetzen. Mit parlamentarischen Anfragen werden nicht mehr nur auf Bundes- und Länderebene sensible Informationen ausgespäht, auch in den Kommunen findet diese Strategie Anwendung. Zudem drohen rechte politische Akteur*innen mit Fördermittelentzug oder diskreditieren Spender*innen und Förder*innen demokratischer Initiativen.

Innerhalb und außerhalb der Parlamente schüren sie außerdem Debatten um „Political Correctness“, eine Sprach- und Begriffskritik, bei der diskriminierend gewertete Äußerungen der Alltagssprache unterlassen werden und mehr Sensibilität für marginalisierte Gruppen geschaffen wird (z.B. auch geschlechtersensible Sprache). In der Folge werden Verstöße gegen diese Grundsätze häufig mit dem öffentlichen Ausschluss bzw. einer personellen Ächtung bestraft („Cancel Culture“). Auch Geschlechtergleichstellung, Gender-Identitäten und sexuelle Orientierungen (in rechtspopulitischen Diskursen häufig abwertend als „Gender Gaga“ zusammengefasst, siehe auch Antifeminismus), Migration oder das Klima sind Themen, die im Zentrum der Kritik antidemokratischer Parteien stehen.

Was können Kommunen bzw. Bürgermeister*innen, Gleichstellungsbeauftragte und Ratsmitglieder tun?

Nachfolgend haben wir ein paar Tipps zusammengestellt:

  • Framing-Bewusstsein entwickeln: In welcher Art und Weise antidemokratische Parteien Probleme rhetorisch einrahmen (engl. „framing“), kann dabei helfen, populistische und vermeintlich auf der Hand liegende Lösungen schneller als solche zu durchschauen. So gestalten sie ihre Argumente häufig nach einem bestimmten Muster, um im Umkehrschluss bestimmte Konsequenzen und eigene Haltungen/Politiken als „Alternative“ präsentieren zu können. Antidemokratische Parteien nutzen hierbei insbesondere Feindbilder und eine sich selbst zugeschriebene Opferrolle, die sie dazu legitimieren soll, die Dinge zu richten. Neben der Diskursverschiebung soll damit auch eine allgemeingültige Deutungshoheit über Begriffe und Diskurse hergestellt werden.

  • Besuchen Sie Argumentations- und Haltungstrainings, um mehr Sicherheit im Umgang mit antidemokratischen Positionen zu gewinnen. Einige Stellen bieten (häufig kostenlose) Beratungen zu dem Thema an. Solche Angebote sind auch für Gruppen buchbar und mit Trainings verbindbar. Die Fachstelle Gender, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus (GMF) der Amadeu-Antonio-Stiftung sowie www.stark-im-amt.de können hier weiterhelfen.

  • Verabschieden Sie einen Code of Conduct. Eine aktive Beteiligung an demokratischen Diskursen sollte allen Menschen ermöglicht werden. Hierbei ist zentral, dass unterschiedliche Meinungen respektvoll ausgetauscht werden. Mehr zu Verhaltenskodexen im Gemeinderat finden Sie hier.

  • Solidarität und Rückhalt erzeugen, gemeinsam mit der Verwaltung: Ein Konsens im gemeinsamen Umgang in der Partei und im Rat bzw. in oder mit der Verwaltung, der auf Respekt, Solidarität und Toleranz beruht, kann gemeinsame Stärke und im Falle von Angriffen auf Personen Rückhalt erzeugen. Dabei muss es nicht um konkrete politische Positionen gehen, sondern um eine Übereinstimmung zur Diskussionskultur oder ein gemeinsames Erkennen und Verwehren der Weitergabe sensibler Informationen. Für die Verwaltung ist hier eine klare Haltung und Kommunikation der Hauptverwaltungsbeamt*innen hilfreich. Ein klares Selbstverständnis kann zudem anderen Menschen Mut machen, Haltung zu zeigen.

  • Ziele, Gruppen und Grundsätze kommunizieren: Die Teilnahme an Veranstaltungen und Angeboten lässt sich über das Hausrecht (geregelt im Versammlungsgesetz (VersG nach §6 oder nach §11) oder die Zustimmung zu bestimmten Grundsätzen beeinflussen. So kann als Voraussetzung der Teilnahme, ähnlich wie bei der Zustimmung zu Datenschutzbestimmungen, auch ein Unterlassen von menschenfeindlichen und antidemokratischen Äußerungen als Pflichtangabe gefordert werden. Wenn es dennoch zu antidemokratischen Äußerungen kommt, ist es wichtig, diese nicht einfach stehen zu lassen, sondern zu widerlegen bzw. eine Gegenmeinung zu bieten. Aber Achtung: Parolen sind bewusst emotional aufgeladen, eindimensional und verkürzt und damit einer fachlichen Diskussion nicht mehr zugänglich. Ein Veranstaltungsverweis oder -ausschluss als letzte Konsequenz sollte immer inhaltlich begründet werden. Dabei kann ein gemeinsames Diskussionsverständnis oder der Schutz einer angegriffenen Gruppe bzw. die Gefährdung der Veranstaltungsziele als Grundlage dienen. Detaillierte Handlungsempfehlungen finden Sie auch hier: https://mbr-berlin.de/wp-content/uploads/2021/03/2010_mbr_hr-wort_web.pdf

 

Keine Haltung einzunehmen bzw. nicht gegen antidemokratische Tendenzen vorzugehen, beeinflusst Diskussions- und Umgangskultur für alle Menschen, indem Diskurse des Sagbaren verschoben und Übergriffe, Hass und Hetze (stillschweigend) toleriert werden. Von Hetzattacken betroffene Menschen werden so von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen. Doch wie schon das Grundgesetz in Art. 1 festhält:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

 

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