Veranstaltung: Respektvoller Umgang in der Kommunalpolitik

Das dritte Fachforum Kommunalpolitik fand im Dezember 2023 statt und beschäftigte sich mit den Ursachen und Wirkungen von Antifeminismus in der Politik. Zunehmende Einschüchterungsversuche sowie digitaler Hass und Hetze treffen Frauen häufig in einer anderen Dimension als Männer. Ein System, denn Antifeminismus schließt nahtlos an eine Reihe antidemokratischer und rechtsextremer Weltbilder an.

Demokratiefeindlichkeit hat viele Gesichter. Eine Ausprägung von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist Antifeminismus. Er ist eine politisch ausgerichtete und organisierte Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit mit dem Ziel, männliche Dominanz zu verteidigen bzw. wiederherzustellen.  Fortschritte bei der Gleichberechtigung der Geschlechter sollen rückgängig gemacht werden, und Frauen aus der Politik verdrängt werden.

Das Aktionsprogramm Kommune hat sich genau das Gegenteil zum Ziel gesetzt: Es muss mehr Frauen in der Politik geben!

Was bewirkt Antifeminismus?

Antifeminismus richtet sich nicht nur gegen bereits politisch aktive Frauen und Mandatsträgerinnen, sondern ebenso gegen Frauen, die in Zukunft Mandate anstreben und sich politisch beteiligen wollen. Mit zunehmend hör- und sichtbaren Einschüchterungsversuchen sollen Frauen davon abgehalten werden, sich öffentlich als Politikerinnen zu präsentieren und politische sowie gesellschaftliche Entscheidungen zu treffen. Frauen sollen ganz gezielt aus der Politik und damit dem öffentlichen (Aushandlungs-)Raum (zurück) in die private Sphäre gedrängt werden. Damit sollen die Errungenschaften der Emanzipation und des Feminismus schlicht rückgängig gemacht werden.

Diese strukturelle Gegenbewegung zu den feministischen Fortschritten, manifestiert sich auch in politischen Spektren: zunehmend, stehen dabei auch staatliche Institutionen, Freiheiten (z.B. in der Forschung und Lehre) und Garantien wie das Diskriminierungsverbot im Fokus. Dies zeigt sich auch in zahlreichen Mobilisierungen im öffentlichen Raum – online sowie offline. Dabei werden die so bezeichnete Gender-Ideologie sowie Forschung und Lehre zu Geschlechtergerechtigkeit häufig öffentlich diskreditiert und lächerlich gemacht. Aber auch die Abkehr von traditionellen Rollen- und Familienbildern sowie die Menschenrechte von queeren und trans* Personen werden besonders vehement angegriffen.

Inzwischen haben dazu zahlreiche rechtsterroristische Anschläge (wie in Oslo/Utøya 2011, Christchurch 2019 oder Halle/Saale 2019), die neben Antisemitismus, Rassismus, oder Homo- und Transfeindlichkeit auch klar frauenfeindliche Motivationen beinhalteten, die Ideologie des Antifeminismus mit voller Gewalt in die Tat umgesetzt.

Rückzug und Diskursverschiebung

Das dritte Fachforum stellte diese Zusammenhänge in den Fokus und zeigte damit Ursachen, Kontinuitäten, Absichten und Wirkungen auf. Die Referentin Judith Rahner, Leiterin der Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus bei der Amadeu Antonio Stiftung, betonte dabei immer wieder die strategischen Zusammenhänge und die Auswirkung auf Zivilgesellschaft und individuelles Engagement. Zunehmend feindselige Stimmung gegen Feminismus und Gleichberechtigung benötigen eine ressourcenintensive Abwehr, auch auf psychischer Ebene. Das führt letztlich leider auch häufig zu einem Rückzug aus dieser wichtigen Arbeit und bewirkt damit ein „Silencing“, also das zum Schweigen bringen von Menschen, die anders denken und sich eigentlich auch anders positionieren würden. Schlussendlich werden die extremen Stimmen und Meinungen damit außerdem verstärkt wahrgenommen und scheinen damit den Diskurs zu bestimmen.

Antifeminismus und Online-Gewalt

Insbesondere im digitalen Raum erfahren Frauen häufiger Angriffe aufgrund ihres Aussehens, ihres Erfolgs, ihrer Kompetenzen, ihres Charakters oder des Frauseins an sich, wohingegen Männer eher auf ihre Profession bezogen (also z.B. für als schlecht empfundener Politiker) angefeindet werden. So haben in Deutschland bereits 70% aller jungen Frauen zwischen 15 und 24 Jahren Gewalt und Belästigung in den sozialen Medien erlebt (Welt-Mädchenbericht Plan International, 2020). Insbesondere Bürgermeisterinnen und Frauen, die sich für bestimmte Themen wie Gleichberechtigung und Antirassismus, Klimaschutz oder die Menschenrechte geflüchteter Personen einsetzen, sind betroffen.

Infografik zu Antifeminsmus und Online-Gewalt: 70% der Frauen und Mädchen im Alter zwischen 15 und 24 haben in Deutschland digitale Gewalt und Belästigung in sozialen Medien erlebt. 76% der Bürgermeisterinnen erfahren Beleidigungen und Bedrohungen.

Quelle: Aus dem Vortrag (Judith Rahner, Amadeu Antonio-Stiftung)

Gegenstrategien

Antifeminismus ist keine isolierte Einstellung, im Gegenteil: Antifeministische Einstellungen nehmen seit 2020 nachweislich zu und finden sich in allen gesellschaftlichen Spektren wieder. Bereits ein Viertel der Deutschen zeigt ein geschlossenes antifeministisches Weltbild (Leipziger Autoritarismus Studie 2022). Und auch die Bereitschaft, in heterosexuellen Partnerschaften körperliche Gewalt auszuüben, liegt bei jungen Männern bei rund einem Drittel, wie Plan International 2023 aufzeigt.

Bei vielen Menschen, die sich für Gleichberechtigung einsetzen, bewirkt diese Stimmung aber eine „Jetzt erst recht“-Einstellung und motiviert, dazu, den öffentlichen Raum nicht aufzugeben und dort Platz für alle Menschen zu schaffen. So kann jede*r einzelne von uns in Gesprächen mit verunsicherten Menschen versuchen, Ängste zu nehmen und die Ziele von Feminismus besser zu erklären.

Als gute Praktik, wie kommunalpolitische Gremien sich in ihrer eigenen Arbeit und dem Selbstverständnis gegen Antifeminismus behaupten können, dient ein Dringlichkeitsantrag der bremischen Bürgerschaft (Landtag) Antifeminismus vehement entgegentreten“ (Drucksache 20/283). Er wurde von den Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen der SPD und DIE LINKE eingebracht und im März 2020 beschlossen.

Um diesen Tendenzen etwas entgegenzusetzen, befinden sich Kraft und Einfluss vor allem in der Masse: Zentrale Strategien sind es, Bündnisse zu bilden und aktiv Solidarität mit Menschen zu üben, die antifeministischen und queerfeindlichen Angriffen ausgesetzt sind. (Online-)Rückzug ist keine Lösung: Sichtbarkeit schaffen und ggf. mit sogenannten Candy-Storms (ein gutes Vorbild hier stellt der Verein ichbinhier e.V. dar) mit Unterstützung und positiver Energie zu kontern, sind darüber hinaus Strategien, mit denen Betroffenen Beistand geleistet werden kann.  

Es braucht klare Bekenntnisse zum Schutz und Beistand mit Betroffenen und Einrichtungen wie die Meldestelle für Antifeminismus, die Teil des Verbundprojekts Antifeminismus begegnen – Demokratie stärken ist und von der Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus der Amadeu Antonio Stiftung gemeinsam mit dem Gunda Werner Institut und Dissens – Institut für Bildung und Forschung e.V. durchführt wird.

Hier können Sie mehr zur Arbeit der Meldestelle Antifeminismus erfahren und Kontakt aufnehmen:

https://antifeminismus-melden.de/

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